Die Schulungsfalle: Warum 80 Prozent aller KI-Weiterbildungen verpuffen

Prof. Dr. Beate M. Gleitsmann

Beate Gleitsmann

14. April 2025

Erfolgsquoten von Schulungen sind oft erschreckend niedrig: Nur 20 Prozent der Weiterbildungen führen zu nachhaltigen Verhaltensänderungen. Wie es besser geht, erklärt ML Gruppe-Expertin Beate Gleitsmann.

Mit dem AI Act hat die EU eine Verordnung auch für KI-Schulungen erlassen. Unternehmen vermitteln nun also Ihren Mitarbeitenden massenweise Trainings – weil sie es müssen. Dabei ist die Idee hinter der Initiative ja, Innovation rund um Künstliche Intelligenz in der EU sicher zu fördern.

Diese Wirkung bleibt jedoch oft aus. Untersuchungen zeigen es: Nur zehn bis 20 Prozent der Teilnehmenden setzen das in Schulungen Gelernte langfristig in ihrer Arbeit um. Fast noch schlimmer: Mitarbeitende vergessen bis zu 70 Prozent des neu erlernten Wissens innerhalb eines Monats wieder, wenn es nicht aktiv angewendet wird. Dabei wäre es so wichtig, dass Firmen Innovation fördern und wettbewerbsfähig bleiben.

Wie lässt es sich besser machen?

Wie aus Wissen Kompetenz wird

Im Rahmen praxisorientierter Auftragsforschung wurden zahlreiche empirische Studien, Workshops und Hunderte Interviews durchgeführt, um das transformative Verhalten in Organisationen zu verstehen und gezielt zu fördern.

Die zentrale Fragestellung lautet dabei stets: Wie lassen sich Schulungsinhalte (nicht nur für KI-Trainings) so in den Arbeitsalltag integrieren, dass Mitarbeitende neue Informationen nicht nur aufnehmen, sondern das erworbene Wissen aktiv in ihre tägliche Arbeit übertragen und es anwenden?

Besonders betont wird hierbei das transformative Verhalten jedes Einzelnen – ein Ansatz, der die aktive Rolle der Mitarbeitenden bei der Veränderung und Weiterentwicklung der Organisation in den Vordergrund stellt.

Aus Wissen wird Kompetenz, wenn theoretische Erkenntnisse aus Schulungen in praktische Anwendungen überführt werden. Das geschieht durch die Kombination von Fähigkeiten, Erfahrungen und Motivation, um spezifische Aufgaben oder Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen.

Kompetenz entsteht also nicht allein durch das Vorhandensein von Wissen, sondern durch die Fähigkeit, dieses Wissen in konkreten Situationen anzuwenden und flexibel anzupassen.

Ein Mitarbeitender, der zum Beispiel eine Schulung zur Nutzung einer neuen Software absolviert, erlangt zunächst Wissen über deren Funktionen. Die Kompetenz entwickelt sich jedoch erst, wenn er das Gelernte in der Praxis einsetzt, Probleme löst und sich an neue Gegebenheiten anpasst.

Menschen begegnen Neuerungen jedoch oft mit Skepsis, insbesondere wenn sie etablierte Arbeitsprozesse verändern. Ein aktives Change-Management ist daher essenziell, um Unsicherheiten zu minimieren und die Akzeptanz zu fördern.

Nur so können Schulungsinhalte als transformative Kraft in Unternehmen wirksam werden.

Schulungserfolge durch kombinierten Einsatz von vier Instrumenten

Der Erfolg von Schulungen hängt von vier Faktoren ab, die gleichzeitig zum Start einer Schulung in einem Unternehmen berücksichtigt werden sollten. Zwei dieser Faktoren sind personeller Natur, während die anderen beiden zu den situativen Unternehmensfaktoren zählen.

Die vier Faktoren für Schulungserfolg

Eine Infografik, die die vier Faktoren für den Schulungserfolg zeigt.

Anhand des Beispiels einer KI-Schulung für Mitarbeiter spielen wir diese vier Faktoren einmal durch.

1. Persönliche Qualifikation

Die persönliche Qualifikation umfasst die notwendigen Fähigkeiten und Kompetenzen, um KI effektiv zu nutzen, wie Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen.

  • Fachkompetenz bedeutet das Wissen, wie KI-Tools und -Technologien im Unternehmen angewendet werden können.
  • Methodenkompetenz beschreibt die Anwendung geeigneter Methoden zum Einsatz von KI, um Probleme zu lösen. Methodenkompetenz erfordert praxisnahe Anwendung. Theoretische Schulungen ohne direkten Unternehmensbezug erschweren den Wissenstransfer. Mitarbeitende müssen mit realen Daten und Anwendungsfällen arbeiten, um ihre Fähigkeiten effektiv weiterzuentwickeln.
  • Sozialkompetenz ist erforderlich, um die Zusammenarbeit und Kommunikation zu fördern, insbesondere bei der Vermittlung von KI-Ergebnissen im Team. Diese Qualifikation lässt sich im Unternehmen durch regelmäßige Schulungen, Trainings sowie Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen fördern.

Erfolgreiche Schulungen sind jedoch auf die Bedürfnisse der Lernenden zugeschnitten. Mitarbeitende lernen unterschiedlich – einige bevorzugen interaktive Formate, andere eher strukturierte Lernmodule.

KI- und Digitalisierungsschulungen sollten daher verschiedene Lernstile berücksichtigen, zum Beispiel durch Kombination aus Online-Kursen, praxisnahen Workshops und kollaborativen Lerngruppen. Wenn Mitarbeitende selbst erleben, wie KI ihren Arbeitsalltag verbessert, steigt ihre Akzeptanz für neue Technologien.

Die Schulung ist keine Einheitsgröße, KI- und Digitalisierungskompetenzen variieren stark zwischen Mitarbeitenden. Ein standardisiertes Schulungsprogramm für alle führt zu Ineffizienz. Stattdessen sollten verschiedene Module mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden angeboten werden. Während Führungskräfte den strategischen Nutzen von KI verstehen müssen, brauchen IT-Mitarbeitende vertiefte technische Kenntnisse.

Ergo: Personalisierte Schulungspfade verbessern die Lernerfahrung erheblich.

2. Individuelle Motivation

Die individuelle Motivation beschreibt den Willen, KI bei der täglichen Arbeit einzusetzen, basierend auf der Wahrnehmung von Nützlichkeit und erwarteten Vorteilen. Sie kann durch materielle (monetäre Belohnungen, Gehaltserhöhungen, Prämien) und immaterielle Anreize (Lob, Anerkennung, feierliche Auszeichnung) gesteigert werden.

Grundsätzlich gilt: je erstrebenswerter der Anreiz, desto höher die Motivation. Eine hohe Motivation haben Mitarbeitende sofort, wenn Schulungsinhalte für sie relevant sind. Die Inhalte einer Schulung müssen somit direkt mit den Arbeitsaufgaben der Mitarbeitenden und den Unternehmenszielen verknüpft sein. Schulungen zu generischen Themen ohne klaren Bezug zur Praxis führen zu Frustration und geraten sehr schnell wieder in Vergessenheit.

Unternehmen sollten sicherstellen, dass die Schulungsinhalte gezielt auf die digitalen Transformationsprozesse des Unternehmens abgestimmt sind. Ein Beispiel: Eine Schulung zur KI-gestützten Datenanalyse ergibt nur dann Sinn, wenn die Mitarbeitenden in ihrer täglichen Arbeit mit Daten arbeiten und diese analysieren müssen.

Skepsis gegenüber KI kann die Motivation erheblich beeinträchtigen. Ohne eine klare Kommunikation der Vorteile und konkrete Erfolgsgeschichten fällt es schwer, die Mitarbeitenden von der Nützlichkeit der Schulung zu überzeugen. Praxisbeispiele und interaktive Anwendungen können hier Abhilfe schaffen.

In einem Comic-haften Bild sitzt eine Frau gegenüber einem Bildschirm, auf dem eine KI symbolisiert ist.

3. Ressourcenbereitstellung

Die Bereitstellung von Ressourcen umfasst alle technischen, zeitlichen und personellen Ressourcen, damit sich die Mitarbeitenden mit den Schulungsinhalten beschäftigen können. Lernen ist ein kontinuierlicher Prozess.

Ohne begleitende Ressourcen wie Tutorials, Einführungsmaterialien oder praktische Anwendungsfälle fehlt die Möglichkeit, das Wissen zu festigen. Unternehmen müssen sicherstellen, dass Mitarbeitende über die notwendigen Ressourcen verfügen, um KI nachhaltig zu nutzen. Dazu gehören Lizenzen, API-Zugänge und Informationen zur datenschutzkonformen Nutzung.

Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Mitarbeitenden Zugang zu KI-Tools haben, die den Anforderungen des AI Acts und der DSGVO entsprechen. Wichtig ist auch, die Mitarbeitenden kontinuierlich über Entwicklungen und Möglichkeiten der KI zu informieren.

Zeit ist eine essenzielle Ressource für Weiterbildungen. KI-Schulungen müssen so gestaltet sein, dass sie in den Arbeitsalltag integrierbar sind. Microlearning und flexible Lernzeiten ermöglichen es Mitarbeitenden, sich trotz hoher Arbeitsbelastung weiterzubilden.

Und schließlich braucht es Freiraum: Mitarbeitende haben oft volle Terminkalender und wenig Zeit für Weiterbildung. Unternehmen sollten Schulungen in den Arbeitsalltag integrieren, etwa durch kurze, modulare Lerneinheiten („Microlearning“) oder durch KI-gestützte, personalisierte Lernpläne, die flexibel genutzt werden können.

Auch für das Anwenden des Gelernten braucht es Zeit. Im Alltag ist kein Platz für das Ausprobieren. Hier helfen gezielte Projekte, in denen Mitarbeitende die erlernten Methoden direkt in der Praxis einsetzen. Unternehmen könnten zum Beispiel Innovationsworkshops organisieren, in denen Teams eigene KI-Anwendungen für ihre Abteilung entwickeln und implementieren

4. Unternehmenskulturelles Dürfen & Sollen

Unternehmen investieren in Schulungen, messen aber selten deren Erfolg. Nach einer KI- oder Digitalisierungsschulung sollten klare Evaluierungsmechanismen etabliert werden. Neben klassischen Feedback-Bögen könnten Praxisprojekte als Leistungsnachweis dienen. Beispielsweise kann überprüft werden, ob Mitarbeitende KI-gestützte Tools tatsächlich in ihren Arbeitsabläufen einsetzen. Die Ergebnisse können genutzt werden, um zukünftige Schulungen weiterzuentwickeln.

Die soziale Erwünschtheit der KI-Nutzung äußert sich auch in Gesetzen und Regelungen, wie Führungsgrundsätzen, Betriebsvereinbarungen und der Kommunikation im Unternehmen. Dazu gehören Erwartungen, die an die Mitarbeitenden gestellt und als selbstverständlich angesehen werden, sowie formelle Richtlinien, die den Einsatz von KI unterstützen oder einschränken. Diese Komponente ist entscheidend, um sicherzustellen, dass sich Mitarbeitende befugt fühlen, KI-Tools einzusetzen und dass deren Nutzung von der Unternehmensführung aktiv gefördert wird.

Eng damit verbunden ist die Vorbildfunktion der Führungskräfte. Sie sollten die Nutzung von KI-Technologien vorleben und zeigen, wie KI-Tools im Arbeitsalltag sinnvoll eingesetzt werden können, um Aufgaben effizienter zu erledigen. Dadurch werden Berührungsängste abgebaut und die Akzeptanz gefördert.

Diese vier Faktoren beeinflussen einander. Besitzt eine Person eine hohe KI-Qualifikation, wird sie sich eigenständig um den Abbau bürokratischer Hindernisse und die Erweiterung ihrer Entscheidungsbefugnisse bemühen. Ist einer Person bewusst, dass KI im Unternehmen gewünscht ist, steigt ihre Motivation, KI zu nutzen. Die KI-Qualifikation beeinflusst die Motivation, da Wissen und Fähigkeiten Sicherheit und Selbstvertrauen schaffen.

Motivation führt wiederum dazu, dass die Person Interesse daran hat, die notwendigen Kompetenzen für die KI-Nutzung zu erwerben. Eine Person, die durch KI repetitive Aufgaben automatisiert und dadurch schneller arbeiten kann, ist motiviert, weil sie überzeugt ist, dass der Einsatz zu positiven Ergebnissen wie Anerkennung oder Belohnung führt.

Daher reicht der isolierte Einsatz eines einzelnen Instruments nicht aus. Alle vier Faktoren müssen integrativ angesprochen werden, damit die Implementierung von KI-orientierten Verhaltensweisen im Unternehmen gelingt.

Sie brauchen wirksame Weiterbildung?

Die ML Gruppe unterstützt Sie auf der gesamten Bildungsreise Ihrer Mitarbeitenden. Durch emotionale Verankerung und rigorose Messung stellen wir den Erfolg der Schulungsmaßnahmen sicher.

Prof. Dr. Beate M. Gleitsmann

Prof. Dr. Beate Gleitsmann

Prof. Dr. Beate Gleitsmann, Fachbereichsleiterin KI

Prof. Dr. Beate Gleitsmann ist Leiterin des Fachbereichs Medien, Marketing und Innovation an der Rheinischen Hochschule Köln, Trainerin für praxisnahe KI-Anwendungen in mittelständischen Unternehmen sowie beratende Expertin der ML Gruppe im Bereich KI-Implementierung.

Seit über 20 Jahren beschäftigt sich die Autorin intensiv mit der Implementierung von Innovationen in Unternehmen. Als Fachbereichsleiterin ist sie bei der ML Gruppe für den Bereich Künstliche Intelligenz zuständig.